Mag. Hans Holzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, Foto: Salzburg Museum
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Interview mit Mag. Hans Holzinger

Kurator der Ausstellung „Robert Jungk: Weltbürger und Salzburger“


Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Robert Jungk?

Ich habe Robert Jungk in den 1980er-Jahren kurz nach Beendigung meines Studiums kennen gelernt, und zwar bei Demonstrationen der Friedensbewegung gegen neue Atomwaffen, die in Europa stationiert wurden. Für das Friedensbüro Salzburg, das ich seit 1986 mit aufbauen konnte, hat Jungk mehrmals bei Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gesprochen. Ich erinnere mich auch an die Proteste Ende der 1980er-Jahre gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage, die im bayerischen Wackersdorf gebaut werden sollte, aber zum Glück aufgrund des massiven Widerstands der Bevölkerung – auch aus Salzburg – nie in Betrieb gehen konnte. 1992 wurde ich dann Mitarbeiter der von Jungk im Jahr 1986 mit Unterstützung von Stadt und Land Salzburg sowie der Republik Österreich gegründeten „Internationalen Bibliothek für Zukunftsfragen“, einer Einrichtung, die wir als „Ort des Dialoges über die Zukunft“ verstehen.
 
Wie sind Sie auf Robert Jungk aufmerksam geworden? 

Meine erste „Begegnung“ mit Jungk war ein Leseerlebnis. Ich habe sein Buch „Menschenbeben. Der Aufstand gegen das Unerträgliche“ in einem Zug durchgelesen. Jungk beschreibt darin den weltweiten Protest vor allem junger Menschen gegen das atomare Wettrüsten und die Verschwendung von gigantischen Mitteln für Rüstungsgüter, während anderswo Menschen verhungerten, weil sie zu wenig Nahrung hatten. Ein Zustand, der leider bis heute andauert. Auch wenn die atomare Konfrontation zurückgedrängt werden konnte, betragen die weltweiten jährlichen Rüstungsausgaben noch immer über eine Billion Dollar. Geld, mit dem man eine Weltsozialpolitik sowie eine globale Energiewende finanzieren könnte.

  
Welche Jungk-Themen sprechen Sie am meisten an und warum?

Robert Jungk war ein faszinierender Redner, aber ein ebenso unermüdlicher wie ausgezeichneter Autor. Seine Bücher gegen die nukleare Gefahr, aber auch jene, in denen er Ansätze für einen humanen Fortschritt beschreibt, enthalten nicht nur nüchterne Fakten, sondern erzählen immer Geschichten – Geschichten über Erlebnisse und Begegnungen mit anderen Menschen: WissenschaftlerInnen, JournalistInnen oder einfachen BürgerInnen. Am meisten beeindruckt hat mich von Beginn an Jungks Einsatz für eine gerechtere Welt, die auch mein Engagement wesentlich bestimmt. Ebenso wie seine Überzeugung, dass ein nicht auf Konkurrenz und gegenseitiges Sich-Ausbooten ausgerichtetes Zusammenleben möglich ist.

  
Was meinen Sie damit?

Unser materieller Wohlstand hat uns viele Annehmlichkeiten beschert, er hat aber auch Schattenseiten. Der Stress nimmt zu – niemand hat mehr Zeit für wirkliche Muße, die Angst, nicht mehr mithalten zu können, steigt. Während die einen Reichtümer anhäufen, müssen anderswo Menschen verhungern. Zugleich wird die Natur über Gebühr ausgebeutet. Sehr früh hat Jungk diesem „blinden Fortschritt“ einen „sehenden Fortschritt“ entgegengesetzt. Er war davon überzeugt, dass Lebendigkeit im Nahraum, in den Beziehungen zwischen den Menschen, entsteht. Er hat sich in diesem Sinne etwa für andere Schulen, eine andere Arbeitswelt oder auch für eine andere Stadtentwicklung eingesetzt. Und für ein anderes Demokratieverständnis: „Betroffene zu Beteiligten machen“ ist das Ziel von Zukunftswerkstätten, die Robert Jungk ins Leben gerufen hat und die wir auch heute noch durchführen. „Betroffene zu Beteiligten machen“ lautet auch das Motto aller unserer Aktivitäten zu „Robert Jungk 100“. In diesem Sinne endet die Ausstellung über Robert Jungk mit einem Appell an die Besucher und Besucherinnen, ihre Vorschläge für eine humane Gesellschaftsentwicklung zu deponieren.

  
Was hat Sie in der Vorbereitung dieser Ausstellung besonders bewegt?

Zunächst möchte ich mich herzlich für die schöne Zusammenarbeit mit dem Team des Salzburg Museum bedanken, insbesondere bei meiner Ko-Kuratorin Eva Maria Feldinger für die aufmerksame Durchsicht der Texte und Ordnung der Materialien sowie bei Friedrich Pürstinger für die sehr ansprechende grafische Umsetzung. Besonders bewusst geworden ist mir bei der erneuten Auseinandersetzung mit Robert Jungk im Zuge der Ausstellungsvorbereitung, dass das 20. Jahrhundert nicht zu verstehen ist ohne das Trauma der ersten Weltwirtschaftskrise, dem ihr folgenden Faschismus und dem Nationalsozialismus sowie dem Trauma des Holocaust und des Massensterbens im Zweiten Weltkrieg. All dem folgte das Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre in Konfrontation mit dem letztlich gescheiterten Gegenmodell des Kommunismus. Das zweite prägende Merkmal dieses Jahrhunderts war die Entdeckung der Kernspaltung, die zur Atombombe mit ihrer gigantischen Zerstörungskraft sowie zu einer geradezu naiven Hoffnung auf die friedliche Nutzung der Atomenergie führte. Die Atomkraft sollte alle Energieprobleme der Zukunft lösen, was sich ja spätestens nach Tschernobyl und Fukushima als Trugbild herausgestellt hat.

  
Robert Jungk hat früh auf dieses Trugbild aufmerksam gemacht?

Ja, sehr früh. Beginnend mit seinen ersten Büchern „Die Zukunft hat schon begonnen“, „Heller als tausend Sonnen“ und „Strahlen aus der Asche.“ Jungks Leben und Wirken ist geprägt von diesen schicksalhaften Erfahrungen des 20. Jahrhunderts – er ist anders als viele Mitglieder seiner Familie durch frühzeitige Flucht dem Holocaust entkommen und hat im Zuge seiner Buchrecherchen die Zerstörungskraft und Risiken der Nukleartechnologie früh erkannt. Sein Anschreiben gegen einen unmenschlichen „Fortschritt“, den Jungk als „Fortsturz“ bezeichnet hat, sowie sein Plädoyer für eine humane Zukunft mit sanften Technologien und sozialen Erfindungen sind motiviert aus diesen Erfahrungen. Robert Jungk ist – ich glaube, das vermittelt die Ausstellung – damit auch ein Zeuge dieses „Jahrhunderts der Extreme“, um den britischen Historiker Eric Hobsbawn zu zitieren. 

Ich möchte noch auf zwei Publikationen hinweisen: Mein Kollege Walter Spielmann hat posthum das „Sonnenbuch“, das Jungk Anfang der 1980er-Jahre über den Aufbruch in ein neues Solarzeitalter schreiben wollte, das er damals aber nicht fertig stellen konnte, herausgegeben. Es ist nun als Fragment im Otto Müller Verlag erschienen. Und in meiner Abhandlung „Sonne statt Atom“, die als eine Art Begleitbuch zur Ausstellung gelesen werden kann, konnte ich Robert Jungks Rolle in den Debatten über die Zukunft der Energieversorgung von den 1950er-Jahren bis heute nachzeichnen – von Walt Disneys Werbefilm „Dein Freund das Atom“ aus 1955 bis zur Atomkatastrophe von Fukushima 2011. Dass in der Ausstellung, die einen Schwerpunkt auf den Widerstand gegen die atomare Bedrohung legt, gemäß deren Titel auch auf den Salzburg-Bezug Robert Jungks und die späten Ehrungen, die er hier erhalten hat, eingegangen wird, versteht sich von selbst.
 

Mehr: www.jungk-bibliothek.at sowie www.robertjungk100.org

 

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