Mit dem Namen Helene von Taussig verbindet sich ein tragisches Zeitschicksal, das lange Zeit aus der Erinnerung gelöscht war. Erst die Ausstellung „Künstlerinnen in Salzburg“, 1991 im SMCA, brachte es an den Tag, dass eine Künstlerin dieses Namens in Anif gelebt hat, dass sie 1940 von dort vertrieben wurde und bald darauf in einem Lager ums Leben kam. Nur durch einen glücklichen Umstand hat eine geringe Zahl von ihren Bildern die Zeiten der Verfolgung und Ignoranz überdauert. Sie wurden in dieser Ausstellung erstmals vollständig präsentiert. Schon 1991 haben die damals gezeigten Arbeiten durch ihre kraftvolle Ausstrahlung und überschwängliche Leuchtkraft sofort die Aufmerksamkeit der Fachwelt erregt. Durch ihre prononcierte Modernität fallen sie aus dem Rahmen der österreichischen Malerei der Zwischenkriegszeit, die im allgemeinen eine sehr gemäßigte Richtung einschlug und sich gegenüber der internationalen Entwicklung isolierte. Taussig hingegen kannte keine Berührungsangst gegenüber den modernsten Kunstströmungen.
Nachdem sie ihre erste Orientierung im Umkreis der Wiener Secession empfangen hatte, fand sie in dem bedeutenden Schweizer Maler Cuno Amiet einen Mentor. Seit 1910 war Paris ihre künstlerische Heimat, von wo sie sich immer wieder Anregungen holte. Postimpressionismus, Fauvismus, Kubismus und der deutsche Expressionismus hinterließen deutliche Spuren in ihren Bildern, die sich vor allem durch eine temperamentvolle Handschrift und eine geradezu wilde Ausdruckskraft auszeichnen. Doch ist der impulsive Duktus durch das kompositorische Kalkül in strenge Grenzen verwiesen. Konstruktivistische Tendenzen weisen die Aktdarstellungen auf, in denen Taussig die geballte Dynamik und pralle Plastizität der Formen in ein straffes Liniengerüst übersetzt.
In den 24 Bewegungsstudien der Mappe „Harald Kreutzberg“ vollführt sie die tänzerische Aktion im rasanten zeichnerischen Gestus gleichsam mit, wobei sich die Figur fast gänzlich in abstrakte Linienschwünge auflöst. Mit solch kühnen Vorstößen hat Taussig das an die naturnahe Auffassung des österreichischen Spätexpressionismus gewöhnte Publikum überfordert. Weit mehr als in Salzburg und Wien nahm man in Paris und Den Haag, wo sie 1929 Ausstellungen hatte, Notiz von ihrer Arbeit.
Dass wenigstens ein Teil des Schaffens von Helene Taussig erhalten geblieben ist, verdanken wir dem Salzburger Maler Wilhelm Kaufmann. Er übergab dem SMCA 1988 ein Konvolut zusammengerollter Leinwände, die ihm die Künstlerin kurz vor ihrer erzwungenen Abreise in größter Eile anvertraut hatte. Nach Kaufmanns Tod 1999 fand man in seinem Atelier noch ein paar weitere, lose Taussig-Gemälde, womit sich der Gesamtbestand des SMCA auf 19 Ölbilder beläuft. Sie weisen auch nach der Restaurierung noch manche Spur ihrer bewegten Vergangenheit auf. Drei Arbeiten haben bei Verwandten in Wien überlebt, ein weiteres Werk wurde erst wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn von einem aufmerksamen Kunstfreund in Salzburg entdeckt. Über den Verbleib der weiteren Werke Taussigs ist nichts bekannt und trotz vielfacher Bemühungen nichts in Erfahrung zu bringen gewesen. So muss der Großteil ihres Schaffens wohl als verloren angesehen werden. Die erhalten gebliebenen und hier gezeigten Bilder sind im Katalog zur Ausstellung wiedergegeben (€ 9.90).
Kurzbiographie Helene von Taussig
1879 Helene von Taussig wird am 10. Mai in Wien als Tochter des Bankiers Theodor Ritter von Taussig geboren. Erst nach dem Tod des Vaters (1909) kann sie ihren künstlerischen Neigungen nachgehen.
1910 Erster Besuch bei dem Schweizer Maler Cuno Amiet in Oschwand, Kanton Bern.
1911-1914 Studienaufenthalt in Paris (mit Emma Schlangenhausen).
1915-1918 Als Rotkreuzschwester an der Isonzo-Front.
1919 lässt sie sich in Anif bei Salzburg nieder.
1927 zeigt sie ihre Werke erstmals in Salzburg (Künstlersaal Schloss Mirabell) und Wien („Wiener Frauenkunst“).
1929 Einzelausstellungen in Paris und Den Haag.
1933 entsteht die Mappe „Der Tänzer Harald Kreuzberg“.
1934 Bau eines extravaganten Atelierhauses in Anif durch den Salzburger Architekten Otto Prossinger.
1940 Helene von Taussig wird wegen ihrer jüdischen Abstammung aus Anif ausgewiesen. Sie bezieht ein Zimmer im Karmeliterinnenkloster Wien-Floridsdorf.
1941 Zwangsenteignung des Anifer Atelierhauses.
1942 Deportation in das Lager Izbica (Polen), von wo sie bereits am 21. April als verstorben gemeldet wird.
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