Schattenspiele - Lotte Reiniger und der Scherenschnitt
Sonderausstellung im Spielzeugmuseum vom 23. November 2006 bis
25. Februar 2007 Die Winterausstellung im Salzburger
Spielzeugmuseum hat heuer Licht und Schatten - und was man
daraus machen kann - zum Thema. Den Schwerpunkt der
Ausstellung "Schattenspiele" bilden Objekte von Lotte Reiniger
(1899 - 1981), die heute als Pionierin des
Silhouettentrickfilms gilt. Wie es sich fürs Spielzeugmuseum
gehört, werden vor allem Scherenschnitte zu den Märchen
"Aschenbrödel", "Die chinesische Nachtigall" und "Die kleine
Seejungfrau" zu sehen sein, und natürlich im Mozartjahr eine
Serie von Arbeiten zur "Zauberflöte".
Scherenschnitte waren bereits im 18. und vor allem im 19.
Jahrhundert sehr beliebt - und das nicht nur als Unterhaltung
im Freundes- und Familienkreis. Künstler wie Philipp Otto
Runge und Moritz von Schwind beschäftigten sich ebenso virtuos
mit Schere und Papier wie später Henri Matisse. Der
Silhouettentrickfilm ist eine Sonderform des Animationsfilms,
bei dem aus schwarzem Papier geschnittene Silhouetten mit
beweglichen Gliedmaßen vor einer Lichtquelle Bewegung für
Bewegung abgefilmt werden.
Lotte Reiniger zeigte schon in jungen Jahren eine besondere
Begabung, Silhouetten auszuschneiden. In einem Vortrag in
London 1936 erinnert sie sich: "Aber ich mochte diese nicht
still und bewegungslos, ich spielte immer mit ihnen. Schon mit
zwölf Jahren hatten ich mein eigenes, kleines, primitives
Schattentheater" (Alfred Happ: Lotte Reiniger. 1899-1981.
Schöpferin einer neuen Silhouettenkunst. Tübingen 2004. S.
9).
Während ihres Schauspielstudiums an der Max Reinhardt
Schule am Deutschen Theater in Berlin gelang es ihr, Kontakt
zum Schauspieler und Regisseur Paul Wegener herzustellen, den
sie bewunderte. Dieser wiederum war von ihrer Fähigkeit
fasziniert, zarte, märchenhafte Scherenschnitte auszuführen
und beauftragte sie 1916 erstmals für den Film "Rübezahls
Hochzeit" das Titelbild zu fertigen. Während ihrer intensiven
Zusammenarbeit in den Jahren 1916 - 1920 entstanden
zahlreichen Silhouetten für Titel und Zwischentitel zu Filmen
wie beispielsweise "Der Rattenfänger von Hameln".
1926 gelang Lotte Reiniger der große Durchbruch mit dem
ersten abendfüllenden Trickfilm der Filmgeschichte "Prinz
Achmed", der die (Liebes)Abenteuer von Prinz Achmed und
Prinzessin Peri Banu schildert und den sie nach Motiven der
"Märchen aus 1001 Nacht" erfand. Die besondere Liebe Reinigers
galt jedoch der Musik und den Opern von Wolfgang Amadeus
Mozart - ab 1930 entstanden mehrere Silhouettenfilme und ein
Schattenspiel zu Themen seiner Opern, und ab 1971 erfand
Reiniger eine Vielzahl Scherenschnitte zu "Figaros Hochzeit",
zum "Don Giovanni", zu "Cosi fan tutte" und zur
"Zauberflöte".
Die Technik, die sie für ihre "bewegten Bilder" anwendete
und die für alle folgenden Trickfilme charakteristisch ist,
beschrieb Lotte Reiniger selbst folgendermaßen: "Man kann die
Figuren so beweglich wie möglich herstellen, sie auf eine von
unten beleuchtete Glasplatte legen, die Kamera über der
Glasplatte befestigen und die Figur aufnehmen, indem man
vorsichtig Bildchen für Bildchen weiterrückt und jeweils eine
Aufnahme macht" (Alfred Happ. Lotte Reiniger. 1899-1981.
Schöpferin einer neuen Silhouettenkunst. Tübingen. 2004. S.
23). Zusammen mit ihrem Mann Carl Koch entwickelte sie dafür
einen speziellen Tricktisch, der in der Ausstellung im
Spielzeugmuseum in einer Rekonstruktion zu sehen ist. Erst mit
Walt Disney's Zeichentrickfilmen, die ab 1927 die Geschichten
von Mickey Mouse und Donald Duck (ab 1934) erzählten, bekamen
Lotte Reiniger's ästhetische Figuren Konkurrenz.
Die Ausstellung präsentiert eine kleine Auswahl aus dem
Schaffen von Lotte Reiniger. Gezeigt werden originale
Silhouettenfiguren aus der Sammlung des Stadtmuseums Tübingen,
das ihren Nachlass verwaltet und aus dem Privatbesitz von
Schattenspieler Alfred Happ aus Dettenhausen bei Tübingen, wo
sie ihre letzten Lebensjahre verbrachte.
Als Rahmenprogramm erwarten unsere Besucher wieder
Vorträge, Filmnachmittage, Workshops, bei denen mit Licht und
Schatten gespielt wird und zahlreiche weitere Veranstaltungen
für große und kleine Museumsbesucher, zu denen wir jetzt schon
herzlich einladen.
Esra Ipek-Kraiger, Renate Wonisch-Langenfelder und
Barbara Walther
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